Published in: Musik Texte. Zeitschrift fur neue Musik. #78 Marz 1999
Über Alfred... von Faradsch Karajew Jeder von uns, der sich mit dem Ziel an den Schreibtisch setzt, der Nachwelt die Erinnerungen an einen Menschen, dessen Name schon in die Annalen der Geschichte eingegangen ist, niederzuschreiben, befindet sich in einer absurden Situation. Der Verfasser macht einen sehr verbreiteten Fehler: Naiv denkt er, über einen lieben und nahestehenden Menschen zu schreiben, in Wirklichkeit aber beschreibt er sein eigenes Leben, er schafft nichts anderes als sein eigenes Bildnis. Er spricht über seine Kongenialität mit dem Bruder und bewundert sich dabei selbst im Spiegel der Erinnerungen. Es ist nur gut, wenn dieser Spiegel nicht verbogen ist! Die Wörter „ich“, „mich“ und „mir“ bilden die Grundlage solchen Schreibens und das ihr Gewicht ist viel größer als das, worüber ich eigentlich schreiben wollte. Leider ist so ein Übel unausweichlich und vielleicht kann man sich nicht davon befreien. Keine Form kann den verderblichen Inhalt verändern.
Und trotzdem...
Der Name Alfred Schnittke wurde neben den Namen Roman Ledenew und Alemdar Karamanow am Ende der fünfziger Jahre in den radikal gesinnten Kreisen der jungen Komponisten schon populär. Alfred war ein of fener und ansprechbarer Mensch, der eine unbeschränk te Autorität bei den jüngeren Kollegen genoß, und in seine Klasse am Moskauer Konservatorium, wo er seit Ende der fünfziger Jahre dem Professor Jewgeni Kirillowitsch Golubew assistierte, drängte sich stets eine Menschenmenge. Hier konnte man sie treffen: die Kompositionsstudenten, die ihn ohne Wissen der eigenen Professoren um Rat fragten, die Musiktheoretiker, die sich für neue und moderne Musik interessierten, die Kollegen, die einen fachlichen Rat suchten, die Musiker und schließlich auch einfach Neugierige. Auch ich wurde in seinen Bann gezogen, als ich im ersten Semester Komposition am Konservatorium in Baku studierte. Zusammen mit meinen älteren Kommilitonen Ramiz Ibragimow und Leonid Gurewitsch ging ich zu ihm. Wir wollten dem jungen Meister unsere Werke zei gen. Nach einem kurzen Einleitungsgespräch, in dem Alfred sich ein Bild von uns machte, ging es zur Musik über. Als Jüngster schwieg ich dabei bescheiden. Als erstes wurde über die Sonate für Geige und Klavier von Leonid Gurewitsch gesprochen, die ich damals für eine selbständige und reife Musik hielt. Es ist schwierig, sich heute, nach so vielen Jahren, an Einzelheiten dieser Analyse zu erinnern. Es blieb nur ein Gefühl tiefer Enttäuschung über alles, was früher für mich gezählt hatte, und ein vager Wille kam in mir auf: die nichtige und untaugliche Beschäftigung – Musik zu schreiben – für immer zu vergessen. Dieser Satz von Alfred ist für immer in meinem Gedächtnis haftengeblieben: „Die Zeit ist nicht bei der Sonate von Cesar Franck stehengeblieben, und man sollte wissen, daß gerade in unseren Tagen viel wertvolle Musik geschrieben wird.“ Schon am Anfang dieses Gesprächs war ich irritiert, wurde am Ende ganz unsicher und zog mich langsam und unauffällig aus dem Klassenzimmer zurück. Im Vergleich zur „hervorragenden“ Violinsonate meines älteren Kameraden schien meine bescheidene Sonatine für Klavier noch ganz unvollkommen zu sein, und das umsö mehr nach dem, was ich gerade vernommen hatte! Viele Jahre später wurden Alfred Schnittke, Edison Denissow und Sofia Gubaidulina, oder wie die Freunde sie nannten, Alf, Edik und Sonetschka, zusammen als „Große Troika“ bezeichnet. An der triumphalen Aufführung seiner Ersten Sinfonie in- Gorki nahmen auch Enthusiasten aus Baku teil; alle waren sie beim Moskauer Komponistenkongreß von seinem Klavierquintett durch das Klopfen des Pedals, das an den Herzschlag erinnerte, erschreckt und gleichzeitig von der unglaublichen Phantasie des Autors angezogen. Schon lange konnte kaum ein mehr oder weniger bedeutendes Musikfestival im Ausland ohne den Namen Alfred Schnittke, der in Europa die neue sowjetische Musik symbolisierte, auskommen. Meine Erfolge (oder Mißerfolge) sahen nach dem Ende des Studiums im Jahre 1966 relativ bescheiden aus, und die folgenden Jahre vergingen in ziemlich hektischen Versuchen, etwas Eigenes zu finden. Nach ersten Feuerproben in orthodoxer Dodekaphonie, Surrealismus und Neoklassizismus stand ich immer noch vor der Frage, ob ich mit dieser unsinnigen Beschäftigung - Musik zu komponieren – weitermachen sollte. Es gab sehr viele Zweifel, und meine Entwicklung ging unter solchen Treibhausbedingungen überhaupt nicht voran! Es genügt die Tatsache, daß während einer Sitzung der Jugendsektion des Komponistenverbands der UdSSR, wo ich meine ersten, noch neoklassizistischen Werke vorlegte, mein offizieller Kollege, ein junger Komponist und Verbandsfunktionär, Armen Schachbagjan, erklärte, daß so eine Musik jeder Musiker auch ohne viel Ausbildung schreiben könne. Diese Aussage verärgerte mich sehr, aber...
... mein Leben lang hörte ich und höre ich heute noch nur auf diejenigen, deren Meinung ich schätze.
Die Krise schwelte weiter ... aber dann kam das Jahr 1976, das, wie sich später herausstellen sollte, mein Leben stark verändern sollte. Ich verschob, für mich selbst unerwartet, die Arbeit, an der ich gerade saß – ich schrieb nichts Geringeres als eine Oper – und entwarf in einer Nacht, unbeschwert von Zweifeln, den klaren Plan eines viersätzigen Werks, das später zur „Sonate für zwei Ausführende“ [für drei Klaviere, Glocken, Vibraphon und Tonband] wurde. Diese große, länger als fünfundvierzig Minuten dauernde Komposition hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem, was ich früher geschrieben hatte. Die Situation sah merkwürdig aus, sie erzeugte ein inneres Unbehagen, machte mich nachdenklich, weckte Ängste, und ich begann wieder, an der Richtigkeit meiner Berufswahl zu zweifeln. Die Aufführung der Sonate in Baku, die zu einem handfesten Skandal und einem anonymen Brief an den Hauptideologen des Landes, Michail Suslow, führte, brachte mir eine kleine Erleichterung, und so konnte ich mit einem weiteren Werk - dem Monodram „Journey to Love“ [für Stimme, Flöte, Klarinette, Glocken, Klavier, präpariertes Klavier, Jazz-quartett, Tonband und Streicher], das in den nächsten anderthalb Jahren auch zu Ende geschrieben wurde – meine Arbeit fortsetzen. Dann aber setzte die schöpferi sche Pause endgültig ein. Immer wieder kehrte ich zur Sonate zurück und wollte wissen, was ich eigentlich geschrieben hatte – entweder absoluten Unsinn, ein Gefasel, das auf den Müllplatz gehörte, oder etwas wirklich Wertvolles? Gedanklich blätterte ich die Partitur des Monodrams „Journey to Love“ durch: Sollte ich das, wie es mir damals schien, schon Bekannte weiterkomponieren? Ich versuchte, mich zu beruhigen, daß meine Augen einfach vor Angst so groß sind. Die Zweifel an der Richtigkeit des gewählten Wegs ließen mich nicht los, obwohl mein Vater*, dessen Meinung für mich immer entscheidend war, meine Sonate vorbehaltlos angenommen hatte. Langsam rang ich mich zur Meinung durch, daß die Zeit für einen Berufswechsel reif sei. Ich konnte mich gut in der Rolle eines Sportfotografen vorstellen, und es galt nur, die Worte in Taten umzusetzen. Ich machte bei meinen Freunden keinen Hehl von meiner seelischen Zerrissenheit und von meinem schon gefaßten Entschluß. Sie hatten versucht, soweit es in ihrer Macht stand, mich von dem ihrer Meinung nach unsinnigen Schritt abzubringen, bis es einem von ihnen einfiel, mir eine Audienz bei Alfred zu verschaffen. Alla Bretaniskaja hatte die Mühen der Vermittlung auf sich genommen und Oleg Felser terrorisierte mich durch stündliche Telefonanrufe aus Baku, jeden meiner Schritt kontrollierend, so daß ich keinerlei Möglichkeit hatte, zu entweichen oder mich irgendwo auf einer Datscha in der Nähe von Moskau zu verstecken. Diesem Druck konnte ich nicht widerstehen und ... zum abgemachten Termin, fluchend auf alles auf der Welt – meine Freunde, die Musik und sogar den nichtswissenden Alfred stand ich vor seiner Wohnung Nummer 419 in der Wawilowstraße 48. Er empfing mich, trotz seiner knappen Zeit, sehr zuvorkommend und ruhig. Er wußte wahrscheinlich schon über meine Qualen Bescheid und bat mich nach einem knappen Wortwechsel sofort, von mir zu erzählen und ihm meine Musik zu zeigen. Man kann nicht sagen, daß ich auf das bevorstehende Urteil über meine Werke sehr gespannt war. Eher im Gegenteil – von vornherein sicher und innerlich längst bereit, die Verurteilung entgegenzunehmen, gab ich Alfred das Tonband der Sonate und die Partitur von „Journey to Love“ – und bat um die Erlaubnis, einen Spaziergang machen zu dürfen. Ich hatte wirklich nicht die Kraft und die Lust, meine Musik anzuhören, und Alfred merkte das wahrscheinlich auch. Nach etwa einer Stunde kam ich zurück und war bereit, mir ruhig jedes Urteil anzuhören. Alfred öffnete die Tür, und mir schien, daß in seinen Augen Mitleid lag.
„Jedem das Seine...“
Wir gingen in sein Arbeitszimmer, setzten uns, das Schweigen dauerte an, und plötzlich fragte Alfred – ich erinnere mich ganz genau an seine Worte, „Was für ein Problem haben Sie eigentlich? Was bedrückt Sie?“ Mein Versuch, mich darüber auszusprechen, daß ein guter Fotojournalist besser als ein schlechter Komponist und die Zeit reif für einen Berufswechsel sei, wurde sofort endgültig und rückhaltlos verhindert. Um auf dieses Thema nicht mehr zurückzukommen, setzte Alfred konkret und bedingungslos das Tüpfelchen auf das „i“: „Sie sind ein Komponist“, sagte er, „alles andere vergessen Sie bitte“.
... vielleicht stand auch Neugier hinter dem Mitleid?
Zur Musik sagte er anerkennend, daß die Sonate in Ordnung sei und interessierte sich sogar für die rein technologischen Details dieses Mammutwerks. Über „Journey to Love“ drückte er sich etwas vorsichtiger aus: Wenn er die Komposition geschrieben hätte, würde er sie wahrscheinlich überarbeiten. „Aber“, unterstrich er, „das heißt auf keinem Fall, daß Sie sie um – oder nacharbeiten sollten. Lassen Sie das Werk so, wie es ist.“
... und bis heute höre ich auf die, deren Meinung ich schätze.
Danach belästigte ich Alfred mit meinen Problemen nicht mehr. Bei unseren Treffen in den folgenden Jahren ging es nur um die Aufführungen seiner Musik in Baku. Das Kammerorchester des Opernstudios am staatlichen Konservatorium, dessen Leiter ich damals war, stellte das einzige in der Stadt dar, das mit seiner Repertoirepolitik eine Alternative zu den beiden staatlichen Orchestern bot: dem sinfonischen und dem Kammerorchester. Karlheinz Stockhausen, George Crumb, John Cage,Igor Strawinsky, Paul Hindemith und Olivier Messiaen, ganz zu schweigen von der „Großen Troika“, das sind nur einige der Namen, die wir in diesen Jahren spielten. Ich habe einige Briefe von Alfred aus dieser Zeit aulbewahrt. Zum Beispiel wurde das Concerto grosso wurde mit großem Erfolg in Baku gespielt und danach in Alma Ata, Lwow und Moskau wiederholt. „Ich danke Ihnen für den Brief mit der Nachricht über das Konzert in Alma Ata. Ich bedanke mich auch für das Plakat und die warmen Worte, die meine bescheide ne Arbeit gar nicht verdient. Sprechen Sie bitte Rauff Abdulajew und Oleg Felsor meine tiefe Dankbarkeit aus, auch den Solisten und Musikern des Orchesters, die meine Musik gespielt haben – ich bin sehr glücklich!“ (29. April 1981) In Baku wurde außer dem Concerto grosso Nummer I auch das Concerto grosso Nummer 2 (Solisten; Oleg Krysa und Iwan Monighetti) und das Konzert für Kla vier (Solistin Marina Abdulajewa) gespielt. Alfred zweifelte an diesem Konzert. „Ich bin froh“, schrieb er mir im Brief vom 29. April 1981, daß mein Klavierkonzert Ihr Interesse fand (obwohl, ich will es nicht verbergen, es nicht gerade zu meinen Lieblingswerken gehört. Der Stoff ist hier nicht glatt, besonders ist die motorische Episode ä la Prokofjew, die ich zweimal ohne ein befriedigendes Ergebnis überarbeitet habe, nicht gelungen.“ Später, beim Auftritt unseres Orchesters in Moskau, bestand Alfred darauf, daß wir dieses Konzert aus unserem Programm nehmen. Und wir mußten schweren Herzens seiner Bitte nachgeben, obwohl das Konzert sorgfältig vorbereitet und glänzend von unserer Solistin Marina Abdulajewa gespielt wurde. Ich saß während der Hauptprobe des Concerto grosso Nummer i im Saal des Glinka-Museums neben Alfred und war sehr aufgeregt – die Aufführung von Gidon Kremer und Tatjana Grindenko mit Gennadi Roschdestwenski hatte schließlich Maßstäbe für dieses Werk gesetzt, während wir nur ein Studentenorchester, wenn auch ein ausgezeichnetes, zur Verfügung hatten. Die So listen spielten lebendig und mit künstlerischem Aus druck, aber es waren eben Studenten. Und nur die Führung und Meisterschaft von Rauff Abdulajew ließen hoffen, daß es zu keinem Fiasko kommen würde. Alfred beruhigte mich und sagte, daß doch nicht meine, son dern seine Komposition geprobt wird. Und sofort nach den ersten Takten der Solisten drückte er mich am Ellenbogen und flüsterte: „Alles ist in Ordnung.“
... nur auf die, deren Meinung ich schätze.
Nach der Probe sprach der Komponist mit dem Dirigenten und machte nur ganz allgemeine Bemerkungen. Meine weitere Begegnungen mit Alfred sind mir nicht besonders in Erinnerung geblieben. Ich kann nur sagen, daß auch nach dem ersten schrecklichen Schicksalsschlag, nach dem er, wie er sagte, den Wert eines jeden Augenblicks, den ihm die Vorsehung gab, neu schätzen lernte, er mir immer gewogen blieb, anteilnehmend und interessiert an allem, was unsere Beziehungen betraf. Eine weitere Begegnung mit Alfred zerstreute meine Zweifel und bestätigte, was ich mir selbst nicht eingestehen konnte. Wir trafen uns im großen Saal des Moskauer Konservatoriums anläßlich eines Porträtkonzert von Krzysztof Penderecki. Der Saal war überfüllt und das Wechselbad der Gefühle vollkommen: das vernarrte Publikum heulte und winselte vor Begeisterung, der Komponist wurde mehrmals hervorgerufen, was ihm große Freude und Genugtuung bereitete. Ich aber, das konnte ich nicht verbergen, war fassungslos und voller Zweifel: wie der Komponist dirigierte, indem er plump seine beiden Hände schwenkte, und Grigori Schislin in einem - wie kann man es netter umschreiben – etwas matten Violinkonzert brilliert hatte. Die ganze Atmosphäre vonAnbetung, die den Saal ergriff, schien mir irgendwie un echt und sinnlos zu sein. Alfred fing an, über das soeben Gehörte zu sprechen und gab mir keine Möglichkeit des Rückzugs. „Wie fanden Sie das alles?“, fragte er immer wieder. Ich versuchte, abzulenken und über alles Mögliche zu reden, nur nicht über die Musik, aber Alfred wollte nur meine Meinung hören, wie ich diese Musik verstand. Ich wollte mich aber nicht als Laie und kläglicher Provinzialist zeigen, der sich nicht auf die Höhen der Musik von Krzysztof Penderecki zu erheben vermochte. Sollte ich etwas „Unpassendes“ über ihn sagen, ohne Tränen der Begeisterung und Rührung? „Das Orchester hat nicht besonders gespielt“, drehte und wendete ich mich und versuchte, eine gute Miene zum bösen Spiel zu machen, „und der Maestro dirigierte nicht ganz...“, fügte ich unter dem billigenden Schweigen meines Gesprächspartners zu, der weiter in mich bohrte. Er sah mich geheimnisvoll und gleichzeitig mit Ironie und Neugier an, so als ob er etwas wußte, was ich auch wissen sollte, aber noch nicht ahnte. Schließlich sagte ich, mit vor Schreck geschlossenen Augen und angewinkelten Knien, um kleiner und unauffälliger zu erscheinen: „Diese Musik ist einfach schlecht!“ Da schaute mich Alfred traurig an und sagte: „Wer aus dem Komponistenverband kann uns jetzt noch“ – uns, sagte er – „die Moral beibringen? Schaut euch nur diese Modernisten, an, sogar ihr Liebling Penderecki hat sich gebessert und schreibt jetzt gute Musik, und was tun Sie!“ Mir wurde leicht und ruhig ums Herz.
... deren Meinung ich schätze.
Alfred hat mich der Musik erhalten, als ich jung, überreizt, verschlossen und stumpfsinnig war. Nach zehn Jahren reichte mir Edison Wassiljewitsch [Denissow] wieder die Hand und half mir aus dem Fenster zu klettern, das er selbst aufgemacht hatte. Ich kann nicht beurteilen, ob die Entscheidungen richtig waren, aber das sind Taten lang vergangener Tage, die unwiederbringlich sind.
März 1999 * Kara Karajew (1918 bis 1982), sowjetischer, aserbeidschanischer Komponist, war Professor am Staatlichen Konservatorium und ein Wegbereiter der neuen Musik in Aserbeidschan. Alfred Schnittke über Kara Karajew: „Die Erinnerung an Kara Karajew ist unvergänglich. Es ist bitter, daß sein Leben in so einer Zeit verging. Der Trost besteht darin, daß er sich den Umständen nicht anpaßte und ein selbständiger, kreativer Komponist von großem Format blieb und sich von links wie von rechts nicht bändigen ließ. Er hielt den Druck von oben wie von unten aus. Das ist einer der wenigen Fälle, in dem die Auszeichnungen und Titel gerecht waren, weil die Tragweite Kara Karajews viel weitreichender war als alle seine Positionen“ (aus einem Brief an Faradsch Karajew vom 18. Februar 1988). Übersetzung aus dem Russischen: Kristina Beierle Kritik Ich bekomme ununterbrochen, fast tagtäglich Aufträge von vilen Menschen aus verschiedenen Ländern. Und ich muß ständig absagen. Alles kann ich einfach nicht tun. Andererseits jedoch kommt in mir sofort der Verdacht auf, daß irgend etwas nicht in Ordnung ist, daß ich innehalten und den Sachverhalt kritisch einschätzen muß. Denn sobald ich ein prestigehaftes Niveau erreicht habe, befinde ich mich außerhalb der Schußlinie von Kritik und Geschimpfe - beides ist jedoch sehr nützlich. Meine Lage wird dadurch, daß sie so gut ist, gefährlich. Aus: Alfred Schnittke, Über das Leben und die Musik. Gespräche mit Alexander Iwaschkin, München: Econ Verlag, 1998,103. |
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